Who We Are
Concept
There has to be a lot of theoretical background behind a diploma thesis.
In my case it was a 50 page book with a lot of text about the depiction of my intention, with references to history of art and portrait photography, analyses and psychology of group attributes, description of technical decisions, detailed infos about the realisation, characterisation of picture language, the explanation of the presentation form, plenty of other infos about the project and some pages of coloured pictures.
Here you find an excerpt of the thesis in german:
(If you want to receive the full PDF documentation via mail, just drop an email)
- Einleitung
- Konzeption
- Intention
- Bildästhetik
Einleitung
Man betritt einen Raum und steht vor einer Wand die ganzflächig plakatiert ist.
Wie auf einer großformatigen urbanen Streetart Fläche prangen Portraits von verschiedenen Personen an der Wand. Geht man näher an die Fläche heran, lösen sich die Formen in ein grobes Druckraster mit dunklen und hellen Punkten auf... wer sind diese Menschen?
Je länger man sich die Personen auf den Bildern an der Wand anschaut fallen einem Unterschiede auf. Einige schauen selbstbewusst. Posen. Lachen. Suchen den Blickkontakt zur Kamera oder interagieren miteinander. Andere schauen ernst oder nachdenklich und wieder andere scheuen den Blick in die Kamera oder wirken unsicher.
Die Portraitierten unterscheiden sich im Alter. Man sieht kleine Kinder, Teenies, junge Erwachsene und Familien. Aber es scheint eine Verbindung zwischen ihnen zu geben.
Die Gemeinsamkeiten fallen auf. Sie sind ähnlich gekleidet - ein visueller Code einer Gruppe wird sichtbar: Eine bestimmte Art von T-Shirts, Caps, Jeans, Sneaker. Manche tragen eine Sonnenbrille oder rauchen. Manche tragen Tattoos als großflächige Bilder oder als Zitate einer Lebenseinstellung. Man sieht Verletzungen. Ein paar der Protagonisten haben einen Gips und sind mit Krücken abgebildet. Einige haben Schürfwunden und zerrissene oder dreckige Kleidung. Man sieht jemanden mit Helm. Man sieht einen Fahrradlenker. In einem Motiv wird ein BMX Rad stolz in die Kamera gehalten, auf einem andern Bild wird darauf gesessen. Ein Abbild der Menschen einer Gruppe wird deutlich.
Sie sagen: „This Is Who We Are!“
Konzeption
„Wer bin ich?“
Diese Sinnfrage will jeder Mensch für sich beantworten.
In der Phase der Adoleszenz, also „der seelischen Auseinandersetzung mit den psychosozialen Veränderungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden“, gewinnt dieses Thema entscheidend an Bedeutung.
Die Frage der Identität bleibt, wenn auch eher im Unterbewusstsein in allen folgenden Lebensphasen ein wichtiger Inhalt. Die gefundenen Antworten werden überprüft und angepasst. Die „Identität bleibt stets ein Konstrukt, eine Arbeitshypothese, die sich täglich durch neue Evidenzen selbstreflexiv bestätigen muß.“
Ein wichtiger Punkt, um sich der eigenen Identität bewusst zu werden ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe:
„Es wird die gemeinsame Identität betont: Dass man gemeinsam mit anderen der Auffassung ist, derselben Gruppe anzugehören. Es ist auch wichtig zu erkennen, dass man nur insofern von einer Gruppe sprechen kann, als es Menschen gibt, die nicht dieser Gruppe, sondern anderen Gruppen angehören.“
„Who We Are!“
Mit meiner Serie „Who We Are!“ nähere ich mich diesem Thema an. Ich zeige ein Abbild von einer Gruppe aus einer Subkultur. Abseits vom Mainstream und dennoch in unserer Gesellschaft verankert. Das Bild der Gruppe wird durch das Auftreten der einzelnen Mitglieder vor der Kamera sichtbar.
Die Bilder zu „Who We Are!“ sind in einer Situation aufgenommen worden in der sich die Portraitierten über ihre Gruppenzugehörigkeit bewusst waren. Während einem bedeutendem Ereignis der Szene habe ich dort über mehrere Tage ein mobiles Fotostudio aufgebaut.
„Die Tatsache, dass Einzelpersonen Mitglieder einer bestimmten Gruppe sind, bedeutet nicht, dass diese Gruppenmitgliedschaft ständig in ihrem Bewusstsein ist. Die Selbstkategorisierung als Gruppenmitglied muss kognitiv aktiviert oder salient gemacht werden, damit sich die Gruppenmitgliedschaft auf die Selbstdefinition von Menschen auswirkt.“
Durch diese aktivierte Selbstkategorisierung hat die Gruppenmitgliedschaft einen Einfluss auf die Einstellung und das Verhalten der Gruppenmitglieder gehabt und wird somit in meinen Bildern sichtbar.
Dadurch enthalten die Bilder eine Antwort auf die Frage wie sich die Mitglieder im Bewusstsein der Gruppenzugehörigkeit geben wollen und wie die Gruppe dadurch nach Aussen präsentiert wird.
Die Darstellung der verschiedenen Altersgruppen und Generationen steht stellvertretend für die Entwicklung, dass es eine Reihe „[...] jugendkultureller Lebensstile gibt, die in der Biographie auf Dauer gestellt werden und bis ins hohe Lebensalter für die entsprechenden Szenemitglieder eine hohe biographische Bedeutung behalten.
Die biographische Ausdehnung der Identifikation mit jugendkulturellen Lebensstilen bis ins Seniorenalter weist auf eine generelle Entstrukturierung des Lebenslaufs und auf eine Entdifferenzierung der Lebensalter hin.“
Viele der ehemals aktiven Gruppenmitglieder sind auch nach dem Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter in der Szene geblieben und finden dort, in Form einer veränderten Rolle nach wie vor ihren Lebensmittelpunkt. Ehemalige Fahrer sind zum Beispiel nun für etablierte Szenemedien tätig, organisieren Events und sind Inhaber oder Mitarbeiter von szeneorientierten Marken um nur einige Beispiele zu nennen.
Die abgebildeten Menschen teilen die gleiche Grundeinstellung und werden dennoch als Individuen wahrgenommen. Sie nehmen in der Gruppe verschiedene Positionen ein. Von den Aktiven (von dem Anfänger bis hin zu dem professionellen Fahrer), über Medienvertreter, Organisatoren und Agenturen, Industrievertreter bis hin zu den Anhängern und Fans die selber keine aktive Rolle in der Gruppe haben, wird ein Abbild der Szene sichtbar.
Die konzeptionelle Darstellung der Zusammengehörigkeit habe ich in meiner Arbeit durch die Verwendung eines gleichen, monochromen Hintergrundes erreicht.
Die Unterschiede der Persönlichkeiten werden durch die unterschiedlichen Posen, die Kleidung und die Körpersprache deutlich.
Dennoch bleibt unklar wer welche Rolle in der Gruppe einnimmt. Darauf wird in der Arbeit keine Antwort gegeben. Das Wissen ist gegebenenfalls Insidern der Szene vorbehalten.
Diese Unsicherheit wird durch die unterschiedlichen Darstellungsgrößen in der Präsentation verstärkt.
Dabei steigen die Größen der Bilder nicht logisch und linear von dem unbekanntesten zum bekanntesten Mitglied an, sondern variieren.
Die Gruppenmitglieder verlieren dadurch nach Aussen ihren Status und ihre Rolle in der Szene. Eine Demokratisierung findet statt. Der Blick konzentriert sich lediglich auf die Wirkung der Bilder.
Intention
Es gab drei Aspekte die mir bei der Themenfindung wichtig waren:
Ich wollte eine Arbeit schaffen die, wie eine Momentaufnahme repräsentativ für einen aktuellen Status Quo unserer Gesellschaft ist.
Der Kleidungsstil, die Frisuren und die Art der Körpersprache entwickelt sich stetig und schnell weiter. Wenn man sich Bilder aus verschiedenen, damals noch recht jungen Szenen der 80ger und 90ger Jahren anschaut, wird man anhand des Stils der abgebildeten Personen das Jahrzehnt bestimmen können. In der Art und der Intensität einer Jugendbewegung kann man meist Rückschlüsse auf die zum Zeitpunkt vorherrschende Stimmung und Form der Gesellschaft treffen.
Diese Gedanken, bezogen auf unsere heutige Gesellschaft, meine Arbeit und die zukünftig rückwirkende Betrachtungsweise hat mich fasziniert.
In dem Prozess der Themenfindung zu meiner Diplomarbeit wurde mir klar, dass ich meine fotografische Arbeit mit meiner persönlichen Geschichte verknüpfen muß.
Aufgabenstellungen die von meiner Identität losgelöst sind, bearbeite ich als praktizierender Fotograf bereits. Bei der Wahl meines Themas habe ich mich auf meine privaten Interessen besonnen und mich einer mir vertrauten Welt zugewendet.
Während des Studiums hat mich stets die Darstellung des Menschen, die Beschäftigung mit den Gefühlswelten und die Herausarbeitung der individuellen Züge in den verschiedenen Facetten begleitet. Der Faszination die von der Besonderheit und der Individualität der einzelnen Person ausgeht und der Kontext in dem die Person zur Gruppe steht ist mit dieser Arbeit Tribut gezollt.
Bildästhetik
Die ursprünglichen Bilder sind im Stilmittel der Low-Key Fotografie aufgenommen.
Ein weiches, durchgängiges Licht umkreist den Portraitierten.
Von vorne ist das Bild dunkler und nach hinten wird es heller. Das lässt das Bild sehr lebendig wirken und dadurch bekommt das Bild optisch mehr Tiefe. Die länglichen Lichtquellen sorgen für gleichmäßige Reflexionen in spiegelnden Oberflächen wie Metall, Chrom oder Sonnenbrillen. Die geringe Schärfentiefe durch die offene Blende verstärkt den räumlichen Eindruck.
Die Bildsprache folgt dem Prinzip „Form Follows Function“. Das bedeutet, dass ich mich gegen die Darstellung als Typologie, also der fotografischen Darstellung mit stets den gleichen Bildausschnitten, entschieden habe. Stattdessen variieren die Bildausschnitte bei den einzelnen Motiven und passen sich dem jeweils abgebildeten Objekt an.